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Offener Brief – EnergieAgentur.NRW

Herrn Prof. Dr. Andreas Pinkwart

Minister für Wirtschaft, Innovation,
Digitalisierung und Energie
des Landes Nordrhein-Westfalen
Berger Allee 25
40213 Düsseldorf

Bielefeld, den 25. März 2021

Offener Brief: EnergieAgentur.NRW

Sehr geehrter Herr Minister,

mit Bestürzung haben wir erfahren, dass Sie beabsichtigen, die EnergieAgentur.NRW zum
Ende des Jahres 2021 zu schließen. Wir sehen darin einen schweren Rückschlag für den Klimaschutz und die Energiewende im Land NRW. Im Schatten der Corona-Pandemie hat bisher kaum eine öffentliche Berichterstattung und Debatte dazu stattgefunden. Was wir bisher als Begründungen lesen konnten, finden wir nicht überzeugend.

Das „Klimabündnis Bielefeld“ ist ein breiter Zusammenschluss von Vereinen/Verbänden/
Organisationen, die sich mit hohem Engagement dafür einsetzen, dass die Klimaziele, die im
Hinblick auf die Begrenzung der Klimaerwärmung auf max. 1,5° zwingend sind, auch wirklich
umgesetzt werden. Wir vertreten ein sehr breites Spektrum von engagierten Menschen aus der Zivilgesellschaft. Wir setzen uns dafür ein, dass den vielfältigen klimapolitischen Ankündigungen auch wirklich Taten folgen. Wir sehen in der Absicht, die EnergieAgentur.NRW zu schließen das genaue Gegenteil: Eine bewährte und für die Energiewende äußerst wichtige Institution wird zerschlagen. Warum?

Die EnergieAgentur.NRW wurde 1990 gegründet, um die Landesregierung, die nachgeordneten Administrationen, die Kommunen, die Unternehmen und die Bürgerinnen und Bürger von NRW bei der praktischen Umsetzung der damals schon als notwendig erkannten Energiewende zu unterstützen. Sie hat sich zu einer Institution mit ca. 160 Mitarbeitenden entwickelt, die ein umfassendes und unabhängiges Beratungsangebot für alle Bereiche der Energiewende bereithält. Sie genießt im Land NRW und weit darüber hinaus höchste Anerkennung. Sie hat durch ihre Arbeit andere Bundesländer überzeugt, ähnlich aufgestellte Einrichtungen zu entwickeln. Welchen Sinn soll es machen, eine solche bewährte Einrichtung aufzulösen?

Den wenigen Presseberichten ist zu entnehmen, dass anstatt der EnergieAgentur.NRW eine
neue Institution aufgebaut werden soll. Das wird Jahre dauern, wertvolle Zeit geht dadurch verloren, stark nachgefragte Beratungsleistungen werden gekappt. Als ein Grund für den Aufbau einer neuen Institution wird genannt, dass die neue Institution direkter durch das Ministerium gesteuert werden könne. Dies Argument überzeugt uns nicht. Gerade eine Institution, deren Schwerpunkt in der Befähigung von Akteuren zur Maßnahmenumsetzung sowie in der verlässlichen Kontaktpflege und Vernetzung liegt, braucht ein Mindestmaß an Unabhängigkeit. Sie ist eine entscheidende Voraussetzung für den strikten Sachbezug der Beratung. Ohne eine solche Unabhängigkeit ist das Vertrauen der Kunden und Kundinnen nicht zu gewinnen, die Beratungsleistungen nachfragen.

Mit allergrößtem Unverständnis müssen wir den Informationen ferner entnehmen, dass der gesamte Bereich „Klimaschutz in den Kommunen“ nicht mehr für notwendig erachtet wird. Wir fragen Sie, Herr Minister: Klimaschutz ohne die kommunale Ebene – wie soll das funktionieren? Die ehrgeizigen Klimaziele des Landes sind nur erreichbar, wenn es gelingt, die Menschen vor Ort – Bürger*innen und Unternehmen – kontinuierlich zu befähigen. Ob Fachexpertise, Austauschformate, Berechnungstools, Moderation, Bildungsangebote – die Leistungen der EnergieAgentur.NRW gehen weit über das hinaus, was die Kommunal Agentur NRW oder das Service- und Kompetenzzentrum kommunaler Klimaschutz leisten können. Die EnergieAgentur.NRW ist mit ihrer fachlichen und konzeptionellen Expertise unverzichtbar für die Umsetzung kommunaler Klimaschutzkonzepte.

Wir fordern Sie auf, die beabsichtigte Abwicklung der EnergieAgentur.NRW zu stoppen. Falls in Ihrem Hause Änderungsbedarf hinsichtlich des Auftrags und der Arbeitsweise der EnergieAgentur. NRW gesehen wird, sollte das in einem transparenten Verfahren kommuniziert und diskutiert werden. Jeder Institution tut es gut, wenn ihre Arbeit kritisch-konstruktiv begleitet, ihre Zielerfüllung überprüft und ihr Auftrag und ihre Arbeitsweise den sich ändernden Anforderungen angepasst wird.

Die Bundesregierung und das Europäische Parlament haben klare Klimaziele formuliert,
um das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen. Die Landesregierung steht in der Pflicht, das mit Leben zu füllen. Dazu passt es nicht, eine bewährte und anerkannte Institution wie die EnergieAgentur.NRW abzuwickeln. Wir fordern Sie auf, die EnergieAgentur.NRW zu erhalten, entsprechend den neuen Anforderungen weiterzuentwickeln und aktiv für die Umsetzung der Energiewende zu nutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Meret Karenfort (Fridays for Future Bielefeld)
Angelika Claußen (Präsidentin der IPPNW Europa)

 


 

(Leider erwartbare) Antwort von Ministerialdirigent Michael Theben, Leiter der Abteilung VII „Klimaschutz“

Offener Brief zur EnergieAgentur.NRW – Ihr Schreiben vom 25. März 2021

Sehr geehrte Frau Dr. Claußen,
sehr geehrte Frau Karenfort,
herzlichen Dank für Ihr an Herrn Minister Prof. Dr. Pinkwart gerichtetes Schreiben vom 25. März 2021. Als Leiter der fachlich zuständigen Abteilung Klimaschutz bat mich Herr Minister Prof. Dr. Pinkwart, Ihre Anfrage zu beantworten. Dieser Bitte komme ich gerne nach.

In Ihrem Schreiben äußern Sie Bedenken in Bezug auf die Fortführung der wertvollen Arbeit der EnergieAgentur.NRW GmbH, wenn die Zusammenarbeit mit dem Land Nordrhein-Westfalen zum Ende des Jahres 2021 ausläuft. Gerne möchte ich Ihre Bedenken aufgreifen und Ihnen im Folgenden unsere Entscheidung, die operative Begleitung der Energie- und Klimaschutzpolitik in Nordrhein-Westfalen strategisch neu zu ordnen, transparent darstellen.

Gegenwärtig erbringt die privatrechtlich organisierte EnergieAgentur.NRW GmbH ihre Dienstleistungen auf der Grundlage eines Rahmenvertrages und darauf basierender Einzelaufträge. Die EnergieAgentur.NRW ist ein im Auftrag des Landes tätiger Dienstleister. Als Dienstleister ist sie in ihrem Handeln abhängig von den Zielvorgaben und Anforderungen ihres Auftraggebers – der Landesregierung. Vor dem Hintergrund des endenden Vertrages und einer damit notwendigen Entscheidung zur Neugestaltung dieser Aktivitäten, hat sich die Landesregierung nach umfangreicher Prüfung verschiedener Varianten für die Etablierung einer Landesgesellschaft entschieden.

In den vergangenen Jahren konnten wir, wie Sie richtig feststellen, beinahe flächendeckend Netzwerkstrukturen in Nordrhein-Westfalen aufbauen, die sowohl regional und kommunal als auch landesweit organisiert sind und verschiedene Akteure aus kommunalen Verwaltungen, aus Unternehmen, Kammern und aus der Zivilgesellschaft vereinen. Wir werden auch zukünftig darauf setzen, durch dezentrale Angebote und Formate den engen Kontakt in die Regionen zu halten und den Dialog mit einer Vielzahl von Akteurinnen und Akteuren im Bereich der Energiewende und des Klimaschutzes fortzusetzen.

Erfolgreiche Formate und stark nachgefragte Beratungs- und Unterstützungsleistungen sind wesentliche Anknüpfungspunkte für die inhaltliche Ausgestaltung und die Schaffung von Angeboten der zukünftigen Landesgesellschaft. Dazu zählen insbesondere die umfangreichen Leistungen für die kommunale Ebene.

Um die ambitionierten Klimaschutzziele zu erreichen, müssen wir konkrete Klimaschutzmaßnahmen und Investitionen in die Energiewende zukünftig noch stärker in der Breite „ausrollen“. Dazu braucht es neben alt bewährten, auch neue Instrumente, um Kommunen, Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger zu unterstützen, Investitionen in kleine und große Klimaschutz- und Energiewendeprojekte zu tätigen. Wir sind davon überzeugt, mit dem Aufbau einer Landesgesellschaft das richtige Instrument gewählt haben, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Wir möchten mit der Landesgesellschaft flexibel, dynamisch und vor allem auf Dauer angelegt, Klimaschutz in Nordrhein-Westfalen
vorantreiben.

Entgegen Ihrer Befürchtung, der Klimaschutz in Kommunen würde in der neuen Landesgesellschaft keinen Platz finden, versichere ich Ihnen, dass dieser ein zentraler Pfeiler der nordrhein-westfälischen Klimaschutzpolitik ist und bleibt.
Auch zukünftig ist der Landesregierung eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit allen Akteurinnen und Akteuren besonders wichtig. Denn nur gemeinsam mit den Kommunen, den Verbänden und Organisationen, der Industrie, dem Mittelstand und dem Handwerk, den Kammern und nicht zuletzt den vielen engagierten Bürgerinnen und Bürgern im Land werden wir es schaffen, die Klimaschutzziele zu erreichen und die Energiewende erfolgreich zu meistern. Ich bin mir sicher, dass sie alle mit der zukünftigen Landesgesellschaft einen verlässlichen und guten Partner haben werden.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Theben